Schaffung von Potenzial durch Prozesse: Neue Gelegenheiten für Banken beim Onboarding von Kunden
Durch Anpassung ihrer Onboarding-Prozesse können Finanzinstitute das Kundenerlebnis verbessern, Kosten einsparen und den Weg hin zu neuen grenzüberschreitenden Dienstleistungen ebnen, so Stephan Wolf, CEO, Global LEI Foundation
Autor: Stephan Wolf
Datum: 2020-11-05
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Es ist ein offenes Geheimnis, dass aufsichtsrechtliche Vorgaben und deren Einhaltung nicht immer dem Bestreben von Banken entgegenkommen, eine reibungslose, problemlose Benutzererfahrung (UX) für ihre Kunden bereitzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Onboarding eines neuen Geschäftskunden: Umfassende, aufsichtsrechtlich vorgeschriebene Überprüfungen zur Bekämpfung von Geldwäsche (AML5) und Identitätsprüfungen von Kunden (KYC) erfordern gewöhnlich mehr an Aufwand, als unter Umständen weder dem Finanzinstitut (FI) noch dem Kunden lieb ist.
Für das FI ist das Kunden-Onboarding UX nur ein Teil des Problems. Um Compliance sicherzustellen, sind interne Prozesse mittlerweile gezwungenermaßen komplexer und zeitaufwändiger geworden, was die interne Effizienz verringert und zu steigenden Kosten führt.
Als Rechtsträger müssen Kunden, die an den Kapitalmärkten Finanztransaktionen vornehmen, gemäß den Vorschriften verschiedener Aufsichtsbehörden weltweit für Berichtszwecke mittlerweile über einen Legal Entity Identifier (LEI) als Kennung verfügen. Dadurch sind Aufsichtsbehörden in der Lage, sich ein klares Bild über die Teilnehmer an ihren Märkten zu verschaffen und somit ein effektiveres Risikomanagement sicherzustellen. Bis dato haben die FIs den LEI noch nicht flächendeckend eingeführt, um ihre Portfolioüberwachung zu verbessern. Sie hinken also den Aufsichtsbehörden hinterher, wenn es darum geht die Vorteile dieser Kennung zu realisieren.
In der Regel wird der Prozess zur Erlangung eines LEI bislang durchlaufen, wenn ein Rechtsträger Gegenstand des Kunden-Onboarding seines FI wird. Im Rahmen dessen musste der Rechtsträger bisher direkt mit einer LEI-Vergabestelle zusammenarbeiten und somit viele der Onboarding-Prozesse, die er soeben bereits durchlaufen hatte, wiederholen. Da viele Kunden rechtlich dazu verpflichtet sind, einen LEI zu beantragen, kann eine derartige Prozessduplikation frustrierend sein.
Damit FIs diese Herausforderungen überwinden und eine Vielzahl von Vorteilen im Hinblick auf Kosten, Effizienz und Kundenerlebnis beim Onboarding realisieren können, hat die Global LEI Foundation (GLEIF) eine neue operative Rolle für Banken bei der Vergabe von LEIs geschaffen – das Konzept der Validierungsstelle.
Einführung des Konzepts der Validierungsstelle
Das Konzept der Validierungsstelle ermöglicht es Banken ihre KYC-, AML- und sonstigen regulierten Onboarding-Prozesse im normalen Geschäftsgang wirksam einzusetzen, um noch während der Identitätsprüfung des Kunden beim ersten Onboarding oder einer standardmäßigen Kundenaktualisierung einen LEI für ihre Kunden erhalten. Mit anderen Worten können Banken, die als Validierungsstellen fungieren, im Auftrag ihres Kunden mit der LEI-Vergabestelle zusammenarbeiten, um wesentliche Identitätsdaten wie der juristische Name und Einträge in Handelsregistern zu „validieren“ und somit zu bestätigen, dass all diese Überprüfungen und Prozesse bereits beim Onboarding stattgefunden haben.
Verbessertes Kundenerlebnis und stärkere Marktdifferenzierung
Eine als Validierungsstelle fungierende Bank kann von einem stark rationalisierten und kosteneffektiven LEI-Vergabeprozess für Kunden profitieren, was zu einem zügigeren und positiveren Kundenerlebnis beim Onboarding und Lifecycle Management führt. Durch die Eliminierung der Prozessduplikation verschwendet der Kunde außerdem weniger Zeit und Ressourcen, was letztlich die Zeit bis zur Erzielung eines Handelsergebnisses verkürzt.
Dank der Funktion als Validierungsstelle können Banken außerdem zusätzlichen Mehrwert für die Kunden und eine Marktdifferenzierung erlangen. So können sie neuartige, ertragsgenerierende digitale Dienste in Bereichen einführen, die sich durch den LEI erschließen – vom Corporate Identity Management bis hin zum E-Signing für Rechtssicherheit mittels digitaler Zertifikate.
Führend im Identitätsmanagement
Zunächst dürfte das Konzept der Validierungsstelle FIs attraktiv erscheinen, die ihre Prozesse zur Einhaltung regulatorischer Vorschriften für ihre Kunden rationalisieren möchten. Allerdings soll diese Funktion Banken auch auf breiterer Ebene attraktiv erscheinen und die freiwillige Einführung des LEI außerhalb der Kapitalmärkte fördern.
Validierungsstellen können den LEI zum Tragen bringen und die manuelle Verknüpfung von Rechtsträgerdaten aus unterschiedlichen internen und externen Quellen überflüssig machen. Laut Schätzungen von McKinsey könnten dadurch pro Jahr allein 2–4 Mrd. USD an Kosten beim Onboarding von Kunden dank mehr Produktivität bei Vollzeitäquivalenten eingespart werden.
Mit der Ausweitung der LEI-Vergabe auf andere Kunden als Rechtsträger, die einen LEI für die Einhaltung regulatorischer Vorschriften im Finanzwesen benötigen, kann eine Validierungsstelle ihren gesamten Geschäftskundenstamm mit weltweit anerkannten Kennungen ausstatten, die grenzüberschreitend bei jeder gesetzlich registrierten Gegenpartei oder jedem gesetzlich registrierten Zulieferer auf der ganzen Welt eingesetzt werden können.
Dadurch können FIs den LEI einsetzen, um das Problem des grenzüberschreitenden Vertrauens für ihre Kunden weltweit zu lösen. Der LEI ist das einzige offene, geschäftlich neutrale, standardisierte und aufsichtsrechtlich empfohlene System, das in der Lage ist, ein digitalisiertes Vertrauensverhältnis zwischen allen Rechtsträgern weltweit herzustellen. Je stärker mehr Bewusstsein für diese positiven Eigenschaften vorhanden ist, desto mehr dürfte die Funktion der Validierungsstelle auch von Banken übernommen werden, die sich um eine echte Führungsrolle im Identitätsmanagement bemühen und sich als Vermittler des globalen Handels positionieren wollen.
Wenn der LEI in der AML-Berichterstattung außerdem stärker in den Vordergrund rückt und verfügbar wird, werden die Aufsichtsbehörden insbesondere über Grenzen oder Gerichtsbarkeiten hinweg illegales Finanzverhalten besser identifizieren und zurückverfolgen können, was wiederum Unternehmen und die Öffentlichkeit schützt.
Alle FIs, zu deren Kunden Rechtsträger zählen, können einen Antrag auf Zulassung als Validierungsstelle stellen. GLEIF arbeitet aktiv mit dem globalen Bankensektor zusammen, unterstützt Testdurchläufe zum Konzept der Validierungsstelle und lädt FIs dazu ein, sich nach einer Teilnahme an der Testphase zu erkundigen.
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Stephan Wolf war der CEO der Global Legal Entity Identifier Foundation (GLEIF) (2014–2024). Seit März 2024 leitet er das Industry Advisory Board (IAB) der Digital Standards Initiative der Internationalen Handelskammer (ICC), der globalen Plattform für die Angleichung, Einführung und Einbindung digitaler Standards. Vor seiner Ernennung zum Vorsitzenden war er seit 2023 stellvertretender Vorsitzender des IAB. Im selben Jahr wurde er in den Vorstand der Internationalen Handelskammer (ICC) Deutschland gewählt.
Zwischen Januar 2017 und Juni 2020 war Herr Wolf Mitvorsitzender der International Organization for Standardization Technical Committee 68 FinTech Technical Advisory Group (ISO TC 68 FinTech TAG). Von One World Identity wurde Herr Wolf im Januar 2017 unter die Top 100 Leaders in Identity gewählt. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Einrichtung von Datenoperationen und globalen Implementierungsstrategien. Er hat während seines gesamten Berufslebens an der Weiterentwicklung grundlegender Unternehmens- und Produktentwicklungsstrategien gearbeitet. Herr Wolf war 1989 Mitgründer der IS Innovative Software GmbH und erster Geschäftsführer der Gesellschaft. Später wurde er Sprecher des Vorstands der Nachfolgegesellschaft IS.Teledata AG. Diese Gesellschaft wurde schließlich Teil der Interactive Data Corporation, wo Herr Wolf die Funktion des Technischen Direktors innehatte. Herr Wolf hat einen Abschluss in Betriebswirtschaft von der J. W. Goethe Universität, Frankfurt am Main.