Vom Kontrahentenrisiko bis zum Unternehmenswert: Der Einsatz des LEI an den Kapitalmärkten
Einem gemeinsamen Arbeitspapier von McKinsey & Company und GLEIF zufolge könnten Banken durch den Einsatz des LEI bei der Ausgabe von Bankbürgschaften jährliche Einsparungen von bis zu 500 Mio. US-Dollar erzielen
Autor: Stephan Wolf
Datum: 2017-12-11
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Das jüngste von McKinsey & Company und der Global Legal Entity Identifier Foundation (GLEIF) herausgegebene Arbeitspapier mit dem Titel „Der Legal Entity Identifier: Der Wert einer eindeutigen Kennung für Gegenparteien“ (The Legal Entity Identifier: The Value of the Unique Counterparty ID) (siehe „Links zum Thema“ unten) erörtert die drei Anwendungsfälle, welche die breiteren, potenziellen Einsatzmöglichkeiten des Legal Entity Identifier (LEI) demonstrieren. Diese Möglichkeiten der Anwendung – die damit keinesfalls erschöpft sind – beziehen sich auf Kapitalmärkte, geschäftliche Transaktionen und die Erweiterung von Handelskrediten. Die Anwendungen sind besonders für große Kapitalgesellschaften, kleine Unternehmen und ihre Bankinstitute sowie für Investmentbanken relevant.
Dieser Blog wirft einen genaueren Blick auf den Einsatz des LEI am Kapitalmarkt. Banken könnten durch den Einsatz des LEI jährliche Einsparungen von bis zu 500 Mio. US-Dollar bei der Ausgabe von Bankbürgschaften erzielen.
Der Einsatz des LEI an den Kapitalmärkten
Der Lebenszyklus einer geschäftlichen Transaktion ist komplex: Er beinhaltet die Warenbestellung, die Rechnungsstellung für die Ware, den Erhalt einer Handelsfinanzierung, die Abstimmung von Zahlungen und die Lieferung/den Empfang der Waren. Diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Dem Arbeitspapier zufolge könnte der Einsatz des LEI erhebliche Auswirkungen auf jene Elemente des Lebenszyklus haben, die das Rechnungs- und Finanzierungswesen betreffen.
Im gesamten Lebenszyklus einer geschäftlichen Transaktion sind verschiedene manuelle, zeitaufwendige Tätigkeiten erforderlich, um einen Geschäftsvorfall abzuschließen. Dies gilt vor allem für internationale Handelsgeschäfte. Insbesondere Identitätsprüfungen der Gegenparteien bedeuten häufig einen erheblichen manuellen Bearbeitungsaufwand. Der Einsatz des LEI könnte die Automatisierung von Identitätsprüfungen und die Digitalisierung verschiedener Tätigkeiten, die mit einzelnen Schritten der Rechnungsstellung und Finanzierung einer geschäftlichen Transaktion verbunden sind, ermöglichen. Er dürfte sogar den erforderlichen Zeitaufwand für die Zahlungsabwicklung reduzieren.
Der Kapitalmarkt umfasst eine breite Auswahl an Produkten und Dienstleistungen, die internationale Handelsgeschäfte einfacher machen. Bei den Anwendungen, die für LEIs besonders relevant sind, erhalten Käufer Bankbürgschaften oder Wechsel von ihren Banken, um Zahlungen an die Verkäufer zu vereinfachen. Verkäufer nutzen wiederum Bestellungen oder Rechnungen, um ihre Produktion oder Beschaffung zu finanzieren. Die mit dem Erhalt und der Nutzung einer Bankbürgschaft verbundenen Verfahren sind besonders zeitaufwendig und umfassen in der Regel mehrere Schritte. Viele davon erfordern Identitätsprüfungen und Abstimmungen. Zur Minderung von Risiken und Einhaltung der Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche (AML-Richtlinien) müssen sowohl Käufer- als auch Verkäuferbanken verschiedene Kontrahentenprüfungen durchführen. Derzeit basieren diese Kontrollen in zu hohem Maße auf manuellen Bearbeitungsvorgängen und Dokumentation in Papierform. Darüber hinaus nutzen Banken zahlreiche Datenbanken für die Durchführung dieser Prüfungen, wobei jedoch nur Suchen nach Unternehmensnamen möglich sind. Dies ist mit erheblichen Risiken verbunden, da Namensgleichheiten zwischen mehreren Rechtsträgern bestehen könnten.
Durch den Einsatz des LEI könnten manuelle Prüfungen dieser Art erheblich rationalisiert und deutlich kostengünstiger gestaltet werden. LEIs würden eine direkte, digitalisierte Identifikation von Rechtsträgern ermöglichen und die Zeit und Ressourcen, die für Hintergrundüberprüfungen und Nachforschungen aufgewandt werden, drastisch reduzieren. Diese Effizienzvorteile würden zusätzlich gesteigert, da weniger Fehlmeldungen auftreten würden, wenn keine AML- und andere Compliance-Listen mehr zugrunde gelegt werden. Anstelle eine namensbasierte Suche durchzuführen, könnten Finanzinstitute die betreffenden Datenbanken einfach anhand des eindeutigen LEI jedes Rechtsträgers durchsuchen – oder müssten in einem weiter fortgeschrittenen Stadium nur eine einzige Datenbank durchsuchen.
Abgesehen davon, dass die Verwendung des LEI Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche erleichtert, kann so auch das Betrugsrisiko gemindert werden. Anhand des LEI eines Rechtsträgers kann eine Verkäuferbank ausstehende Rechnungen zurückverfolgen, um verdächtige Aktivitäten, wie beispielsweise mehrere Rechnungen für dieselbe Lieferung, zu identifizieren.
Kurz gesagt, der LEI macht zwei wesentliche Tätigkeiten eines komplizierten Prozesses – Überprüfung von Rechtsträgern und Rückverfolgung der Vorgeschichte eines Rechtsträgers – deutlich einfacher. Würden LEIs zur Identifikation von internationalen Rechtsträgern und automatisierten Rückverfolgbarkeit ihrer Vorgeschichte eingesetzt, könnten Banken insgesamt Einsparungen zwischen 250 Mio. US-Dollar und 500 Mio. US-Dollar jährlich bei der Ausgabe von Bankbürgschaften erzielen. Bei maximaler Ausschöpfung dieses Potenzials könnten diese Einsparungen vier Prozent der aktuellen Kostenbasis weltweiter Handelsgeschäfte ausmachen. Das untere Ende dieser Schätzung geht von einer hohen Akzeptanz in Europa und Nordamerika und einer niedrigen Akzeptanz in Asien aus, während der obere Wert auf der Annahme einer hohen Akzeptanz weltweit beruht.
Neben diesen Effizienzvorteilen würde der Einsatz von LEIs außerdem zu einem verbesserten Risikomanagement beitragen, da Banken dadurch ein ganzheitlicheres Bild des handelnden Rechtsträgers erhielten.
Zudem wurde im gemeinsamen Arbeitspapier festgestellt, dass die Investmentbanking-Branche durch eine breitere, globale Einführung des LEI jährliche Einsparungen von über 150 Mio. US-Dollar erzielen könnte. Diese würden mindestens 10 Prozent der gesamten Betriebskosten für das Onboarding von Kunden und die Handelsverarbeitung umfassen. (Weitere Informationen über die potenziellen Kosteneinsparungen und Effizienzvorteile, die sich durch den Einsatz des LEI an den Kapitalmärkten ergeben, finden Sie auch in dem speziellen GLEIF Blogbeitrag, der unter den „Links zum Thema“ unten angegeben ist.)
Hier bei GLEIF ermutigen wir Organisationen aktiv zur Einführung von LEIs in ihren tagtäglichen Prozessen. Des Weiteren hoffen wir, dass dieses Dokument das Verständnis über den potenziellen Einsatz von LEIs erweitert und die Debatte über ein entsprechendes Kosteneinsparungs- und Effizienzpotenzial anfachen wird. Die potenziellen Einsatzmöglichkeiten des LEIs gehen weit über den aktuellen Stand hinaus, und GLEIF freut sich schon darauf, diese Ideen mit anderen Organisationen in vielen verschiedenen Sektoren zu erkunden.
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Stephan Wolf war der CEO der Global Legal Entity Identifier Foundation (GLEIF) (2014–2024). Seit März 2024 leitet er das Industry Advisory Board (IAB) der Digital Standards Initiative der Internationalen Handelskammer (ICC), der globalen Plattform für die Angleichung, Einführung und Einbindung digitaler Standards. Vor seiner Ernennung zum Vorsitzenden war er seit 2023 stellvertretender Vorsitzender des IAB. Im selben Jahr wurde er in den Vorstand der Internationalen Handelskammer (ICC) Deutschland gewählt.
Zwischen Januar 2017 und Juni 2020 war Herr Wolf Mitvorsitzender der International Organization for Standardization Technical Committee 68 FinTech Technical Advisory Group (ISO TC 68 FinTech TAG). Von One World Identity wurde Herr Wolf im Januar 2017 unter die Top 100 Leaders in Identity gewählt. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Einrichtung von Datenoperationen und globalen Implementierungsstrategien. Er hat während seines gesamten Berufslebens an der Weiterentwicklung grundlegender Unternehmens- und Produktentwicklungsstrategien gearbeitet. Herr Wolf war 1989 Mitgründer der IS Innovative Software GmbH und erster Geschäftsführer der Gesellschaft. Später wurde er Sprecher des Vorstands der Nachfolgegesellschaft IS.Teledata AG. Diese Gesellschaft wurde schließlich Teil der Interactive Data Corporation, wo Herr Wolf die Funktion des Technischen Direktors innehatte. Herr Wolf hat einen Abschluss in Betriebswirtschaft von der J. W. Goethe Universität, Frankfurt am Main.