Newsroom & Medien GLEIF-Blogbeiträge

Verbesserte Geschäftsverifizierung mit KI: Eine neue Front im globalen Kampf gegen Betrug?

Damian Borth, Professor für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen an der Universität St. Gallen, erklärt, wie mit dem Einsatz offener, standardisierter und qualitativ hochwertiger Rechtsträgerdaten in KI-Modellen transparentere, effizientere und sicherere Geschäftsinteraktionen auf der ganzen Welt stattfinden könnten.


Autor: Prof. Damian Borth, Professor für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen, Universität St. Gallen

  • Datum: 2024-04-29
  • Ansichten:

Noch nie war die Überprüfung der Identität von Rechtsträgern so relevant oder komplex wie heute in der globalen digitalen Wirtschaft. Als Reaktion darauf wächst das Interesse an dem Potenzial der Technologie der künstlichen Intelligenz (KI), um die Überprüfung und Überwachung von Unternehmen zu automatisieren. Durch effizientere und effektivere geschäftskritische Prozesse lässt sich das Risiko von Betrug und anderen kriminellen Aktivitäten verringern, was zu einem sichereren Geschäftsumfeld für alle beiträgt.

Dennoch bleiben Herausforderungen bestehen. Viele aktuelle KI-Anwendungen werden dadurch behindert, dass die zugrunde liegenden Daten nicht standardisiert und nicht ohne Weiteres nutzbar und teilbar sind. Dadurch wird nicht nur wertvolle Rechenleistung verschwendet, sondern es kommt auch verstärkt zu systemischen Fehlern.

Mehrere aktuelle Trends, Entwicklungen und Initiativen in den Bereichen Datenstandards und Transaktionsüberwachung befassen sich mit den Herausforderungen, die traditionell die Bemühungen im Kampf gegen die Geldwäsche behindert haben. Können Sie erklären, welche Rolle KI und maschinelles Lernen spielen könnten?

KI und maschinelles Lernen sind vielversprechende Technologien zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Geldwäschebekämpfung, da sie die Effizienz und Effektivität der Transaktionsüberwachung und Compliance-Prozesse verbessern. Diese Technologien können riesige Datensätze analysieren, um komplexe Muster oder Anomalien zu identifizieren und betrügerische Aktivitäten aufzudecken, wodurch sich verdächtige Transaktionen leichter erkennen lassen. Darüber hinaus kann sich die KI anpassen und aus neuen Daten lernen. Dadurch wird sie enorm wertvoll in der sich stets weiterentwickelnden Landschaft der Geldwäschebekämpfung, in der Betrüger und Überwachungsstellen laufend versuchen, dem anderen gegenüber einen Schritt voraus zu sein.

Wie kann die Kombination von KI-Technologie und hochwertigen Daten dazu beitragen, globale Geschäftsrisiken besser zu quantifizieren und steuern?

KI und hochwertige externe Datenquellen können das Risikomanagement erheblich verbessern, indem sie für eine höhere Genauigkeit der Geschäftsüberprüfung sorgen. KI-Algorithmen können zudem die Überwachung von Rechtsträgerdaten automatisieren und so zu einem sichereren globalen Finanzumfeld beitragen, indem sie das Betrugsrisiko minimieren.

Wie beurteilen Sie angesichts der zunehmenden Automatisierung von Geschäftsabläufen das Gleichgewicht zwischen dem Mehrwert und den Risiken der KI-Technologie?

Die Automatisierung von Identifizierungsprozessen – ermöglicht durch KI und maschinelles Lernen – sorgt für eine erhöhte Effizienz und Genauigkeit der bereitgestellten Daten, verbessert die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und stärkt das Vertrauen in Geschäftstransaktionen.

Allerdings können dadurch auch Risiken entstehen, wie etwa mögliche systemische Fehler, Verzerrungen oder Schwachstellen in der Cybersicherheit. Um diese Risiken zu mindern, ist es unabdingbar, Automatisierung und menschliche Kontrolle miteinander in Einklang zu bringen und robuste Sicherheitsmaßnahmen sicherzustellen.

Wie wichtig sind offene, zuverlässige, standardisierte und qualitativ hochwertige Daten für die KI-Community?

Einfach ausgedrückt sind sie grundlegend und gelten schon immer als entscheidend für die erfolgreiche Entwicklung von KI-Systemen. Solche Daten stellen sicher, dass KI-Modelle anhand genauer Informationen trainiert werden, was zu effektiveren und vertrauenswürdigeren Ergebnissen führt. Durch Standardisierung wird die Interoperabilität zwischen verschiedenen KI-Systemen erleichtert und die Reproduzierbarkeit der KI-Recherchen verbessert. Darüber hinaus verringern qualitativ hochwertige Daten Verzerrungen und verbessern die Entscheidungsfähigkeit der Modelle, was für Anwendungen in sensiblen Bereichen wie dem Finanz- und Rechtssystem von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Sie haben mit GLEIF an einem Modell zur Ermittlung und Empfehlung der richtigen Rechtsform einer Gesellschaft zusammengearbeitet. Könnten Sie die wichtigsten Erkenntnisse zusammenfassen?

Zunächst ist es wichtig zu erkennen, dass die Identifizierung und das Verständnis der Rechtsform eines Unternehmens der Schlüssel zu verschiedenen finanziellen und geschäftlichen Prozessen ist. Die Vielfalt der Rechtsformen zwischen und innerhalb der einzelnen Länder führt jedoch zu erheblicher Komplexität. Die Möglichkeit, die Rechtsform eines Unternehmens automatisch zu identifizieren und mit dem entsprechenden ELF-Code (Entity Legal Form) zu verknüpfen, kann daher unzählige Vorteile mit sich bringen: mehr Transparenz, weniger Risiken und mehr betriebliche Effizienz.

Unsere Zusammenarbeit mit GLEIF führte zu einem KI-Modell – bekannt als Legal Entity Name Understanding (LENU) – das in der Lage ist, die Rechtsform eines Unternehmens allein anhand seines Namens und seines Landes präzise vorherzusagen. Das von uns trainierte Sprachmodell konnte bestimmte Muster in Unternehmensnamen und landesspezifischer Nomenklatur verknüpfen und daraus Rechtsformen ableiten. Die hohe Genauigkeit des Modells zeigt das Potenzial von KI, wenn es darum geht, die Zuverlässigkeit von Geschäftsdaten zu verbessern. Dies schafft nicht nur die Möglichkeit, den LEI-Vergabeprozess zu beschleunigen, sondern auch den Aufwand manueller Prüfungen deutlich zu verringern.

Wir haben unsere Erkenntnisse in einem wissenschaftlichen Forschungspapier zusammengefasst: „Transformer-based Entity Legal Form Classification“ (Transformatorbasierte Rechtsformklassifizierung von Unternehmen). Die Studie unterstreicht das erhebliche Potenzial von transformatorbasierten Modellen bei der Weiterentwicklung der Standardisierung und Integration von Daten. Die Integration der Rechtsform von Unternehmen über standardisierte Datenelemente erhöht die Sicherheit bei der Verknüpfung von Unternehmen und ermöglicht robuste Zuordnungspaare über mehrere Datensätze hinweg, da jedes Unternehmen nur eine Rechtsform haben kann.

Die hohe Genauigkeit des Modells zeigt das Potenzial von KI, wenn es darum geht, die Zuverlässigkeit von Geschäftsdaten zu verbessern. Dies schafft nicht nur die Möglichkeit, den LEI-Vergabeprozess zu beschleunigen, sondern auch den Aufwand manueller Prüfungen deutlich zu verringern.

Wie könnten standardisierte Rechtsträgerdaten, wie etwa der LEI, zum Ökosystem der KI-Forschung und -Entwicklung beitragen?

Standardisierte LEI-Daten bereichern die KI-Forschung, indem sie einen globalen, konsistenten Datensatz zum Trainieren und Testen von KI-Modellen in finanziellen und rechtlichen Kontexten bereitstellen. Diese Einheitlichkeit verbessert die länderübergreifende Modellzuverlässigkeit und steigert die Leistung von KI-Lösungen. LEI-Datensätze können auch die KI-Forschung in Bereichen wie Betrugserkennung, Unternehmensprüfung und regulatorische Compliance erleichtern. Indem sie als Richtwert dienen, können LEI-Daten eine Schlüsselrolle bei der Bewertung von KI-Modellen in der Finanzbranche spielen.

Was ist Ihre Botschaft für die Zukunft?

Die Zukunft von KI, unterstützt durch standardisierte und offene Daten, birgt ein enormes Potenzial für die Umgestaltung des Finanz- und Rechtssektors. Indem wir diese Synergien nutzen, werden wir rasche Verbesserungen erzielen können, mit denen die globalen Finanzsysteme transparenter, effizienter und sicherer werden. Diese Entwicklung verspricht eine verbesserte regulatorische Compliance, weniger Betrug und ein tieferes Verständnis komplexer Finanznetzwerke.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir mehr von einer Welt sehen und verstehen werden, die aktuell noch nicht ohne Weiteres zugänglich ist.

Falls Sie einen Blogbeitrag kommentieren möchten, besuchen Sie zum Posten Ihres Kommentars bitte die Blog-Funktion auf der englischsprachigen GLEIF-Website. Bitte identifizieren Sie sich mit Ihrem Vor- und Nachnamen. Ihr Name erscheint neben Ihrem Kommentar. Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Bitte beachten Sie, dass Sie sich durch Zugriff auf oder Beiträge zum Diskussionsforum verpflichten, die Bedingungen der GLEIF-Blogging-Richtlinie einzuhalten. Lesen Sie sich diese daher sorgfältig durch.



Alle vorherigen GLEIF-Blog-Postings lesen >
Über den Autor:

Prof. Dr. Damian Borth ist Direktor des Instituts für Informatik an der Universität St.Gallen, wo er eine ordentliche Professur für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen (AIML) innehat. Zuvor war er Gründungsdirektor des Deep Learning Competence Center am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern, wo er auch PI des NVIDIA AI Lab am DFKI war.

Seine Forschung konzentriert sich auf Repräsentationslernen mit tiefen neuronalen Netzen in Bereichen wie Computer Vision, Fernerkundung und Finanzprüfung. Seine Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem ACM SIGMM Test of Time Award 2023, dem Google Research Scholar Award 2022, dem NVIDIA AI Lab bei GTC 2016, dem Best Paper Award bei ACM ICMR 2012 und dem McKinsey Business Technology Award 2011. Derzeit ist Damian Borth Mitglied des Stiftungsrats des International Computer Science Institute (ICSI) in Berkeley, Kalifornien, des Verwaltungsrats der German Data Science Society, des Beirats des Roman Herzog Instituts und des Beirats des HSG Institute of Behavior Science & Technology.

Damian Borth absolvierte seine Postdoc-Forschung an der UC Berkeley und dem International Computer Science Institute (ICSI) in Berkeley, wo er an Big-Data-Projekten des Lawrence Livermore National Laboratory mitarbeitete. Er promovierte an der Universität Kaiserslautern und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Während dieser Zeit war Damian Borth Gastdozent am Digital Video and Multimedia Lab der Columbia University in New York City, USA.


Tags für diesen Artikel:
Global LEI Index, Global Legal Entity Identifier Foundation (GLEIF), Code-Liste für Rechtsträgerformen, Datenqualität, Open Data